Sie haben Ihren ganzen Text erleichtert, indem Sie Substantive durch Verben ersetzt haben? Sie haben die Wortmonster erlegt? Alles klingt schon deutlich geschmeidiger – aber immer noch beschweren sich Ihre Leser und Leserinnen (oder sie sich selbst) über zu komplizierte Texte? Heute zeige ich Ihnen zeigt Ihnen die Macht einfacher Sätze…
Das Problem
Lange Sätze sind toll. Ein beeindruckendes Beispiel ist der erste Satz aus Thomas Manns Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull:
„Indem ich die Feder ergreife, um in völliger Muße und Zurückgezogenheit – gesund übrigens, wenn auch müde, sehr müde (so daß ich wohl nur in kleinen Etappen und unter häufigem Ausruhen werde vorwärtsschreiten können), indem ich mich also anschicke, meine Geständnisse in der sauberen und gefälligen Handschrift, die mir eigen ist, dem geduldigen Papier anzuvertrauen, beschleicht mich das flüchtige Bedenken, ob ich diesem geistigen Unternehmen nach Vorbildung und Schule denn auch gewachsen bin.“
Insgesamt 73 Worte zwischen zwei Punkten – großartig! Aber: Lange Sätze wollen gekonnt sein. Nur die Wenigsten können sich mit der Sprachgewalt eines Thomas Mann messen und sind „diesem geistigen Unternehmen nach Vorbildung und Schule denn auch gewachsen“. Außerdem schreiben wir nur selten echte Prosa.
Die Lösung
Meist geht es in der Unternehmenskommunikation darum, den Lesern einen komplexen Sachverhalt verständlich zu vermitteln. Ziel sollte es sein, den Text so einfach zu schreiben, dass ein einmal gelesener Satz nicht noch einmal wiederholt werden muss. Je weniger der Leser rückwärts lesen muss, desto flüssiger wirkt der Text. Die goldene Regel des Journalismus dabei: Gönnen Sie jedem Gedanken einen ganzen Satz! Beschränken Sie sich auf maximal einen Nebensatz und versuchen Sie, diesen an den Rand des Hauptsatzes zu stellen. Kunstvolle Konstruktionen mit Partizipien sind möglichst vollständig zu vermeiden. Die neudeutsche Regel dazu heißt: Keep It Short and Simple -KISS!
Was würde mit dieser Regel nun aus Manns Text? Das Sammelsurium der ein-Satz-ein-Gedanke-Philosophie sähe womöglich folgendermaßen aus:
„Hier in völliger Muße und Zurückgezogenheit ergreife ich die Feder, um meine Geständnisse dem geduldigen Papier anzuvertrauen. Ich bin zwar gesund, aber müde. So müde, dass ich wohl nur in kleinen Etappen und unter häufigem Ausruhen werde vorwärtsschreiten können. Zwar ist mir eine saubere und gefällige Handschrift eigen, aber es beschleicht mich das flüchtige Bedenken, ob ich diesem geistigen Unternehmen nach Vorbildung und Schule denn auch gewachsen bin.“
Ich bin nach Vorbildung und Schule kein Literaturkritiker. Aber ich glaube, der geneigte Leser wird mir zustimmen, dass hier nun weniger rückwärts gelesen werden muss. Für echte Prosa mag dies ein Verlust sein, für eine verständliche Darstellung wohl eher nicht.
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