Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, angesichts des ausgebrochenen Frühlings und angesichts der anstehenden Feiertage über Ostern etwas Fröhliches im Blog zu schreiben. Nun ist es eher etwas Besinnliches geworden, das ich in Anlehnung an Joseph Weizenbaum auch mit „Die Macht der Suchmaschinen und die Ohnmacht der Vernunft“ hätte überschreiben können.
Zusammen mit meinen Kollegen habe ich mir das Vergnügen eines sehr guten Workshops zum Thema Suchmaschinen-Optimierung gegönnt – Search Engine Optimizing (SEO). Wir wurden brillant durch das Thema geführt, die Funktionen der Suchmaschinen und die aus der Optimierung dafür abgeleiteten Anforderungen an Webseiten wurden verständlich und tiefgründig erörtert. Aber es blieb ein mehr als schaler Nachgeschmack.
Wie Suchmaschinen-Optimierung funktioniert
Im Grunde ist die Idee der Suchmaschinen-Optimierung einfach: Das Unternehmen überlegt sich für die angebotenen Produkte und Dienstleistungen die relevanten Stichwörter („Keywords“), mit denen der potenzielle Kunde in den Suchmaschinen von Google und Co. nach entsprechenden Angeboten suchen dürfte. Diese Keywords werden überall und reichlich auf den Seiten verstreut, finden sich in den Titeln, den Überschriften, den Linkbeschreibungen, den Rubriken, den Linkeinträgen – eben einfach immer und überall auf der Seite.
Die Suchmaschinen-Roboter robben sich auf ihrer Suche nach relvantem Inhalt durch die Seiten und versuchen so etwas wie Relevanz auf einer Seite zu entdecken. Denn der Erfolg der ökonomische Suchmaschinen hängt ausschließlich und alleine von der Relevanz der Ergebnisse für den Suchmaschinen-Nutzer ab.
Die Relevanz erkennen sie – doof wie Computer und ihre artverwandten Roboter nun einmal sind – im Wesentlichen an der Zahl der Nennungen und an der Platzierung der Suchwörter. So habe ich in diesem Artikel durch Getrenntschreibung von Suchmaschinen-Optimierung die Keywords „Suchmaschinen“ und „Optimierung“ bis hierher schon im Titel, in den Keywords, in der Zwischenüberschrift und bereits 11 bzw. 6 Mal untergebracht. Gerade eben wieder.
Die Folgen der Suchmaschinen-Optimierung für die Sprache
Um also die eigene Seite in den Suchmaschinen nach oben zu bringen, ergeben sich einige einfache Optimierungs-Regeln:
- Keywords häufig verwenden (3-4% des Textes dürfen schon alleine durch ein jeweiliges Keyword abgedeckt sein, deshalb: Suchmaschinen-Optimierung, Suchmaschinen-Optimierung, Suchmaschinen-Optimierung)
- Keine Synonyme verwenden (immer „Suchmaschinen-Optimierung“, nicht „Search Engine Optimizing“ oder „Verbesserung der Suchergebnisse“)
- immer die gleich Form verwenden (immer Suchmaschinen-Optimierung, nicht Suchmaschinen optimieren)
- Besonders an exponierten Stellen wie Titeln, Überschriften und Beschreibungen immer die Keywords verwenden. Also Suchmaschinen-Optimierung im Titel (ist erfüllt), in der Zwischenüberschrift (ist erfüllt) und in der Beschreibung (ist ebenfalls erfüllt).
Was damit deutlich wird: Die Suchmaschinen-Optimierung zwingt zur Reduzierung des eingesetzten Wortschatzes. Schließlich sind gern gelesene Synonyme tabu, das leichte Spiel zwischen Verben, Adjektiven und Substantiven ausgehebelt.
Aber es hat auch inhaltliche Konsequenzen: Wenn Beschreibung und Überschrift quasi gleich lauten, verschwindet die Relevanz für den Leser. Schließlich ginge es bei der Beschreibung um so etwas wie „mit anderen Worten“, was aber nach oben Gesagtem streng verboten ist.
Kurz: Der Roboter mag zwar strahlen, dass er so oft so tolle Worte gefunden hat, allein der Leser wendet sich mit Grauen (oder mögen Sie meine drei Zwischenüberschriften mit Suchmaschinen-Optimierung?)
Die Folgen der Suchmaschinen-Optimierung für die Homepage-Gestaltung
Das ist das Risiko, wenn man Computern das Denken überlässt. Die bittere Wahrheit darüber, wie leicht geneigt wir Menschen sind, den Computern das Denken zu überlassen, beschreibt Joseph Weizenbaums „Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft“. Weizenbaum, selbst am berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT), vergleicht darin die berechnende Computerlogik mit der komlex-intuitiven menschlichen Vernunft. Dabei macht er deutlich, wie viel Information für die menschliche Beurteilung der Relevanz dadurch verloren geht, wenn sie für die Berechnung am Computer aufgearbeitet wird.
Die beiden zentralen Ergebnisse seiner Kritik, die sich auf die Suchmaschinen übertragen lassen, sind:
- Computer inklusive der Google&Co.-Suchmaschinen sind ein Werkzeug. Wichtig ist, dass Werkzeuge dazu dienen soll(t)en, die Ideen der Menschen umzusetzen. Nicht der Mensch hat sich dem Werkzeug, sondern das Werkzeug hat sich dem Menschen anzupassen. Werden die Ideen durch Werkzeuge begrenzt, gilt es die Werkzeuge zu verfeinern. Kein Mensch käme auf die Idee, beim Möbelbau als Werkzeuge nur Axt und Kreissäge zuzulassen. Ein klarer Auftrag an Google und Co.
- Relevanz lässt sich nicht berechnen sondern eben nur erkennen. Das Auszählen von Häufigkeiten kann da bestenfalls eine erste Orientierung bieten.
Wer also die Inhalte seiner Homepage entlang der Suchalgorithmen der Suchmaschinen gestaltet, wird nie in der Lage sein, eine in dem Sinne „gute Seite“ zu machen, dass sie sich für einen Menschen wahrnehmbar abhebt. Er wird zwar Roboter-Relevanz erzeugen, sich aber von der Kunden-Relevanz entfernen.
Damit kommen wir natürlich zur entscheidenden Frage nach den Zielen der Homepage. Wenn die Seite vor allem häufig gefunden werden soll, ist eine konsequente Ausrichtung an den Suchmaschinen sinnvoll. Wenn Sie die Menschen, die auf die Seite gehen, überzeugen wollen, wird man bei der Suchmaschinen-Optimierung deutliche Abstriche machen müssen.
Ich persönlich neige dazu, dem zweitem Ziel Priorität einzuräumen. Es grüßt Marvin, der depressive Roboter.
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